Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Dünkirchen.[]

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Dünkirchen, Duynkirchen (französirt Dunkerque) eigentlich so viel als die Kirche in den Dünen oder Sandbanken (s. Dünen), 6 Meilen von Calais, eine berühmte See- und Handelsstadt im ehemaligen französischen Flandern, im Departement du Nord, welche in ältern Zeiten der beständige Gegenstand der Eifersucht zwischen Frankreich und England war. Ludwig XIV., der es 1662 um 5 Millionen Livres wieder von England zurückkaufte (es war 1658 durch die Verbindung mit Cromwell in der Engländer Hände gekommen), bot alles auf, um diesen Ort unbezwinglich, und den Hafen, der so geräumig ist, das zwei hundert große Schiffe darinn vor Anker liegen können, zu einem der bequemsten in ganz Europa zu machen. In den Kriegen zwischen England und Frankreich hatten die Freibeuter von Dünkirchen der englischen und holländischen Handlung großen Schaden zugefügt; dieses und der Neid über den wachsenden Flor dieser Stadt bewog England, es zu einer Hauptbedingung des utrechter Friedens (v. J. 1713) zu machen, daß Frankreich auf eigne Kosten die Festungswerke wieder abtragen, und dieses Meisterstück der Kriegsbaukunst vernichten solle. Man suchte sich von französischer Seite durch Grabung eines neuen Canals zu Mardyk, eine gute Stunde von Dünkirchen, zu entschädigen, auch bemühten sich die Einwohner von Dünkirchen, den Hafen wieder herzustellen; allein die Engländer drangen von Zeit zu Zeit auf die Vernichtung dieser Arbeiten. Der pariser Friede (v. J. 1763), den England dictirte, wiederholte in Rücksicht auf Dünkirchen die Bedingung des Friedens zu Utrecht. *) Es wurde sogar ein englischer Commissär daselbst angestellt, der über die Erfüllung dieses Punktes wachen und von Frankreich unterhalten werden mußte. Allein im pariser Frieden (v. J. 1783), welcher in allen Stücken der Antipode des v. J. 1763 war, wurden die Artikel, die im utrechter Frieden zu Englands Gunsten festgesetzt und nachher bestätigt worden waren, aufgehoben. Seitdem wurde täglich an der Wiederherstellung und Belebung dieser Stadt gearbeitet, so weit es die damalige Lage Frankreichs erlaubte. Die Wichtigkeit dieser Stadt, welche unter den Händen der französischen Republik ihren vorigen Glanz bald wieder erhalten konnte, riß den Herzog von York hin, im August 1793, gegen Coburgs Rath, mit einem eignen Corps über zehn Meilen von der Hauptmasse der österreichischen Armee vor Dünkirchen zu rücken, und die eifrigsten Anstalten der Belagerung zu treffen. Man erwartete täglich die Uebergabe, als General Houchard sich so unvermuthet und überlegen näherte, und zu gleicher Zeit die Belagerten einen so wüthenden Ausfall thaten, daß der Herzog genöthigt wurde sich eiligst mit dem Feldmarschall Freitag, unter dessen Leitung er commandirte, zurückzuziehen und die Belagerung aufzuheben. In Friedenszeiten hatte Dünkirchen als Freihafen einen sehr ausgebreiteten Handel. Jetzt ist er ganz gesunken; eben so seine bedeutenden Tabaksfabriken.

*) Lord Chatham erwiederte dem französischen Unterhändler Grafen Bussy, der sich vergebens bemühte, in Rücksicht Dünkirchens andere Bestimmungen festgesetzt zu erhalten: "das englische Volk betrachtet die Schliesung Dünkirchens als ein ewiges Denkmal der Unterjochung Frankreichs (comme un monument éternal du Joug imposé à la France) und der Minister würde seinen Kopf wagen, der es sich erlauben wollte, darin andere Bestimmungen zu machen!"


Festung.[]

[2]
Duynkerken oder Dünkirchen, die größte flanderische Seevestung mit nassen Graben, von Vauban angelegt, mußte nach dem aachner Frieden (1748) von den Franzosen geschleift werden; die Werke wurden doch nicht ganz zerstört, und die Stadt später wieder sehr stark bevestigt. Gute Kasernen, Hafen für kleine Seeschiffe, große Rehde vor dem Hafen für die größten Seeschiffe, 1800 Häuser, 22'000 E.

-- -- Die genannten vier Vestungen sind mit Niederungen umgeben, welche durch Ueberschwemmungsschleusen unter Wasser gesetzt werden können.


Zeitungsnachrichten.[]

1793.[]

Paris, vom 8. April. [3]

Ein Schreiben aus Dünkirchen vom 21. dieses berichtet: Es habe allen Anschein, daß diese Stadt nächstens zu Land und zur See angegriffen werden, und es sey wircklich am Tag vorher von dem Minister ein Kourier angekommen, um die dortigen Einwohner hievon zu benachrichtigen und aufzufordern, daß sie auf ihrer Hut seyn sollen. Es werden nun fliegende Batterien zur Vertheidigung der dortigen Rheede errichtet, und man arbeite Tag und Nacht an Aufführung vieler Verschanzungen, weil man entschlossen sey, sich eher unter den Ruinen begraben zu lassen, als die Engelländer im Besiz dieser Seestadt zu sehen.

Paris, vom 3. May. [4]

Ein Schreiben aus Dünkirchen vom 29ten des vorigen Monats sagt: Es scheint immer gewisser, daß die Engländer ihr feindliches Vorhaben gegen diese Stadt ausführen werden. Heute um 2 Uhr erschien vor unserm Hafen eine Englische Flotte von mehr als 50 Schiffen, unter denen man viele flache Schiffe wahrnahm, die zu einer Landung dienen können. Wir erwarten den Angriff von Stunde zu Stunde; die Frauenspersonen verlassen gröstentheils die Stadt; aber die Männer bleiben und sind fest entschlossen, sich tapfer zu wehren und sich lieber unter den Trümmern der Stadt begraben zu lassen, als sich zu ergeben. So eben kommen Truppen bey uns an.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Lehrbuch der Militär-Geographie von Europa, eine Grundlage bei dem Unterricht in deutschen Kriegsschulen, von A. G. Hahnzog, Divisionsprediger und Lehrer an der Kriegsschule in Magdeburg. Magdeburg, bei Ferdinand Rubach 1820.
  3. Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 17. April, 1793. Num. 31.
  4. Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 11. May, 1793. Num. 38.
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