Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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C. F. Dumouriez.[]

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Musée Carnavalet Paris

Dumouriez (C. F.), geboren zu Chambray den 26. Januar 1739, stammt, seinen Memoiren nach, aus einer Parlamentsfamilie der Provence. Er war anfangs in dem Collegium von Louis-le-Grand erzogen, seiner Kränklichkeit halber aber von seinem Vater aus demselben zurückgenommen und blieb in dem vaterlichen Hause, bis er 1757 zur Armee des Herrn von Estrées kam und dabei zum Kriegscommissär ernannt wurde. Nachher diente er als Cornet bei dem Regiment d'Escars Cavallerie. Den Tag vor der Schlacht von Klosterkam verwundet, gerieth er in Gefangenschaft, erhielt 1761 eine Hauptmannsstelle, wurde 1763 verabschiedet und empfing das Ludwigskreuz. Sein unruhiger Geist verstattete ihm nicht, in Ruhe zu bleiben. Er ging nach Italien, bot den Genuesern, und darauf Paoli seine Dienste an, und begab sich, da beide Theile sein Anerbieten ablehnten, auf seine eigene Rechnung nach Corsika; kam dann nach Frankreich zurück, legte Plane vor, wie man sich dieser Insel bemächtigen sollte, wurde aber von der Regierung wie ein Abenteurer behandelt. Er ging hierauf nach Spanien, besuchte die portugiesischen Gränzen, und ließ 1766 ein Werk unter dem Titel erscheinen: Versuch über Portugal. 1768, als man sich zur Eroberung von Corsika entschlossen hatte, brachte er es endlich dahin, als Generalquartiermeister bei der kleinen Armee, welche man dahin gehen ließ, angestellt zu werden. Er ward hierauf Oberst, und veruneinigte sich mehrere Male mit allen Generalen, namentlich mit Marboeuf. Als die französische Regierung sich 1770 in die polnischen Angelegenheiten mischen wollte, gab sie ihm den Auftrag, bei der Conföderation von Bar gegen den russischen Hof zu intriguiren. Er wohnte dem Feldzuge 1771 gegen die Russen bei, und kam nach Frankreich zurück. Im Jahre 1773 schickte man ihn in einer Angelegenheit mit Schweden nach Hamburg; weil er aber die erhaltenen Vorschriften überschritten hatte, wurde er arretirt und in die Bastille gesetzt. 1776 zu einem der Kommissäre ernannt, denen die Untersuchung übertragen war, ob sich auf der Küste des Kanals ein Kriegshafen errichten ließe, setzte er es durch, daß ihm 1778 das Commando von Cherbourg übergeben wurde. 1788 wurde er Brigadier der königlichen Truppen. Im Winter 1789 begab er sich nach Paris, erklärte sich in einer kleinen Broschüre für die damals herrschenden Grundsätze, konnte es aber doch nicht dahin bringen, zum Deputirten bei der Generalständeversammlung ernannt zu werden. Er ging daher nach Cherbourg zurück, ward Commandant der Nationalmiliz dieser Stadt und Gouverneur der Nieder-Normandie. Zu Ende des Jahres begab er sich nochmals nach der Hauptstadt und ließ sich in den Jacobinerclub aufnehmen; er suchte sich später mit Mirabeau, den er anfangs in seinen Broschüren befehdet hatte, in Verbindung zu treten. Um diese Zeit wurde er als Maréchal-de-camp in der zwölften Armeedivision angestellt; aber wenig mit einem Platze zufrieden, der ihm keine Mittel, sich bemerkbar zu machen, darbot, blieb er in der Hauptstadt, schmeichelte mehr als jemals den Jacobinern, und ward unter Luckner zum Commando im Elsaß ernannt. Von da trat er den 15. April 1792 an die Spitze des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten. Während der kurzen Dauer seines Ministeriums wurde der Krieg gegen Oesterreich erklärt. Bald vertauschte er diese Stelle jedoch mit dem Kriegsministerium, das er den 13. Juni antrat, aber nach vier Tagen wieder verließ, als Lavayette im Namen seiner Truppen über alle Minister Beschwerden führte. Er trat hierauf in die Armee Luckners in der Eigenschaft eines Generallieutenants. Im Juli ging er zur Armee in Flandern unter Arthur Dillon, hierauf zu der unter Lavayette, über welche er nach dem 10. August das Commando erhielt. Er mußte sich den Preußen, Oesterreichern und vereinigten Emigrirten entgegenstellen, die sich damals schon der Festungen Longwy und Verdun bemeistert hatten und gegen die Champagne vorrückten. Er nahm seine Stellung bei Grandpré und ließ die fünf Pässe des Waldes von Argonne besetzen, da aber der Paß von Croix aux Lois von den Oesterreichern mit Gewalt durchbrochen worden war, zog er sich gegen St. Menehould zurück und erhielt einen Vortheil bei Valmy. Er eröffnete hierauf Unterhandlungen mit dem Könige von Preußen. Im Verlaufe des Octobers begab er sich nach Paris und arbeitete mit dem Vollziehungsrathe einen Plan für den Winterfeldzug aus. Den 15. wohnte er der Jacobinersitzung bei, haranguirte die Versammlung, empfing die rothe Mütze und den Bruderkuß, und alle Parteien suchten ihn zu gewinnen: Robespierre umarmte ihn im Angesicht Aller. Bei seiner Rückkunft zur Armee erließ er den 24ten October eine Proclamation an die Belgier, lud sie darin zum Aufstande gegen ihren Souverain ein, und griff den 6. November die Oesterreicher in ihrem Lager bei Jemappe an. Trotz ihrer geringen Anzahl vertheidigten sich die Kaiserlichen in ihrer wohlverschanzten Stellung mit Muth, und überließen ihm nur nach einem langen und blutigen Gefechte den Sieg. Er ließ hierauf an der Maas und Roer seine Truppen die Winterquartiere beziehen. Jetzt brach sein Verdruß gegen den Minister Pache aus, mit dem er während des ganzen Feldzugs in offener Fehde gestanden war, da dieser seine Armee an allen Bedürfnissen Mangel leiden ließ. Kurz darauf begab er sich nach der Hauptstadt, um, wenn man seinen Memoiren glauben will, einen Versuch zur Rettung Ludwigs XVI. zu machen, dessen Prozeß damals seinen Anfang nahm. Bei seiner zweiten Reise sah er weit mehr Deputirte auf der Seite der Gironde; allein er errang wenig Einfluß und wurde selbst bei dem Convent denuncirt. Den 15. Februar 1793 befahl er Miranda, den Feldzug mit dem Bombardement von Mastricht zu eröffnen, und machte selbst von Breda und Klundert aus, welche beide Plätze er genommen hatte, einen Angriff auf Holland. Der größte Theil seiner Truppen aber, die er in den Winterquartieren unter dem General Valence zerstreut gelassen hatte, konnte dem Prinzen von Coburg keinen Widerstand leisten. Dieser griff den ersten März die französischen Vorposten an der Roer an, warf sie, erschien den folgenden Tag vor Mastricht, und nöthigte sie, die Belagerung schleunigst aufzeheben. Dumouriez mußte dem General Valence zu Hülfe eilen, zog alle seine Truppen in die Ebene von Tirlemont zusammen und lieferte den Oesterreichern die Schlacht bei Neerwinden, die er, seiner Angabe nach, durch Miranda's Schuld, der den linken Flügel commandirte, verlor. Einem neuen Verlust erlitt er bei Löwen, und sah sich zum Rückzuge genöthigt. Diese Unfälle gaben das Zeichen zu seinem Falle; alle die seinen Sturz gewünscht, brachen gegen ihn los. Bei seiner Ankunft auf der französischen Gränze lieferte er vier Commissäre und den Minister Beurnonville, die ihn zu arretiren gekommen waren, den Oesterreichern in die Hände, erließ eine Proclamation, in welcher er die Wiederherstellung des constitutionellen Königthums in der Person des Kronprinzen versprach, wurde aber von versailler Freiwilligen mit geladenen Gewehren angefallen, gezwungen, durch die Schelde zu setzen, und zu dem Prinzen von Coburg zu flüchten. Der Convent hatte ihn von dem Schütze der Gesetze ausgeschlossen, und demjenigen eine Belohnung von 300,000 Livres versprochen, der ihn todt oder lebendig liefern würde. Anfangs zog er sich nach Brüssel zurück, sodann nach Cöln, wo der Churfürst ihm die Erlaubniß eines Aufenthalts zu Mergentheim verweigerte. Er begab sich hierauf in die Schweiz, ging im Monat Juli nach England, sah sich aber auf des Lords Greenville geschärften Befehl genöthigt, beinahe sogleich das Land wieder zu verlassen. Er lebte einige Zeit in der Schweiz und in Deutschland, und ließ sich endlich auf dänischem Gebiete bei Hamburg nieder. Da er die Welt nicht mehr mit seinen Thaten unterhalten konnte, ergriff er die Feder wieder und gab seine Lebensbeschreibung heraus. Es gibt keine Faktion, ausgenommen die des Berges, für die er sich nicht, ein wahrere politischer Proteus, nach und nach in seinen verschiedenen, während seines Exils erschienenen Pamphlets erklärt hätte. 1799 hat man ihn im Verdacht gehabt, daß er den europäischen Mächten neue Coalitionsplane vorlege, und 1800 erzählte das Gerücht, daß ihn der russische Hof aufgenommen, und daß er zu London die Aussöhnung der Orleans mit den übrigen Zweigen des Hauses Bourbon herbeigeführt habe. Man meldete 1804, daß er mit Pichegrü zur Anführung einer Expedition gegen die Küsten der Bretagne bestimmt sey. 1805 befand er sich zur Zeit der Schlacht von Austerlitz in Teschen. Gewiß ist es, daß er gegen Ende 1803 dem Herzog von York als Kriegsrath an die Seite gegeben war, doch behielt er diese Stelle nicht lange. Seine spätern Schicksale sind nicht bekannt geworden. Einigen Nachrichten zu Folge ist er nach Amerika gegangen und 1811 dort gestorben.


Schilderung des Generals Dümouriers.[]

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Der General Dümourier ist gegenwärtig fünf und funfzig Jahr alt. Er ist der Sohn eines Kriegskommissairs. Sein Vater besaß einige litterarische Talente, und übersetzte aus dem Italienischen das berühmte Gedicht des Tassoni: La seuhia rapita. Da der Vater aus keiner alten Familie abstammte, und doch sein eigenes Verdienst fühlte: so brachte er frühe seinem Sohne einen Haß gegen die damals bestehende Regierungsform bei, welche die Hofnung aller Derjenigen einschränkte, und ihrem Genie Fesseln anlegte, die sich nicht einer langen Reihe adelicher Vorfahren rühmen konnten. Der junge Dümourier fieng seine militairische Laufbahn sehr frühe an, und zeichnete sich bald, vermöge der thätigen Unerschrockenheit seines Geistes, so sehr aus, daß er in einem Klub, dessen Mitglied er damals war, den Zunahmen des kleinen Tygers erhielt.

In einer Schlacht erhielt er eine tiefe Wunde über beide Hände, und zwei Säbelhiebe über den Kopf, nebst einigen geringeren Wunden an verschiedenen Theilen seines Körpers. Da er den Vorzug großer Geister besitzt, durch das Unglück nicht aus der Fassung gebracht zu werden: so scherzte er, selbst während der Zeit, in welcher er sich in dieser traurigen Lage befand: und so wie Cäsar den Seeräubern, die ihn zur See gefangen nahmen, mit dem Strange drohte, so brachte auch Dümourier, durch Drohungen, den Hanöverischen Soldaten, dessen Gefangener er war, dahin, daß derselbe ihm die Dienste eines Bedienten leisten mußte.

Während der Zeit, als der Kaiser, die Kaiserinn und der König von Preußen die Theilung von Pohlen vornahmen, befand sie Dümourier in Diensten der Republik Pohlen, an der Spitze von 400 Französischen Freiwilligen. Da er es für möglich hielt, einen großen Streich auszuführen, so rief er seine vornehmsten Offiziers zusammen, und legte denselben seinen Plan zur Genehmigung vor. Alle hielten einstimmig den Plan für allzugefährlich, und versagten ihre Einwilligung.

"So," rief Dümourier aus, "Ihr Herren wollt also nicht fechten? Wohlan! ich sage Euch, daß Ihr fechten müßt!" Hierauf berief er die Soldaten zusammen, und fragte denselben, daß Diejenigen, die nicht bereit wären, mit ihm in die Hölle zu fahren, sich zurückziehen möchten. Dann führte er das Korps bei Krakau gegen den Feind. Sie siegten; allein es blieben 200 auf der Stelle, und sechzig wurden gefährlich verwundet.

Eben so geschickt für das Kabinett, als für das Feld, empfahl er sich durch die Geschmeidigkeit seiner Talente Ludwig dem XV. Als daher dieser Monarch im Jahre 1772 genaue Nachricht, von dem was in Schweden vorgieng, zu erhalten wünschte, sandte er, ohne Vorwissen seiner Minister, vier Personen dahin, deren Einer Dümourier war. Sie waren sehr thätig, und sandten dem Könige einen Eilboten nach den andern. Der König fragte die Minister: was für Neuigkeiten sie aus Schweden hätten? Die Antwort war: -- Keine. "So?" erwiederte Ludwig. "Ich habe Nachricht." Dann theilte Er den Inhalt der Depeschen den Ministern mit. Die Minister fanden sich beleidigt dadurch, daß Männer, die nicht unmittelbar unter ihnen standen, sich in die Staatsgeschäfte mischen wollten. Sie bewogen den schwachen Monarchen, die Emissarien aufzuopfern, welche Ihn so gut bedient hatten: und sowohl Dümourier, als Hr. Favier, wurden beide bei ihrer Rückkunft in die Bastille gesteckt.

Niemand besser, als der vormalige Oberbefehlshaber der Belgischen Armee, versteht die Kunst, seinen Truppen Muth und Zutrauen einzuflößen. Freigebig mit Lobsprüchen, theilt er dieselben aus ehe sie noch verdient sind, und macht die Soldaten begierig, den Ruhm zu verdienen, den sie bereits im Voraus erhalten haben. Damit er sie lehren möge, ihre Personen nicht zu schonen, befand er sich immer an ihrer Spitze, da wo das Feuer am stärksten war. Seine Thätigkeit ist eben so groß als sein Muth. Ungeachtet er Wohlleben und Ueppigkeit liebt, und der weiblichen Gesellschaft gar nicht entbehren kann: so begnügt er sich doch im Felde mit der Kost eines gemeinen Soldaten. Wenn er die zahlreichsten, mannigfaltigsten und dringendsten Geschäfte zu besorgen hat: so giebt er die gemessensten Befehle, mit einem Scharfblick ohne Gleichen, und mit mathematischer Genauigkeit. Ohne alle Affektation von Ernst (die gemeiniglich eine kleine Seele anzeigt) ist er aufgeräumt und lustig während den wichtigsten Verhandlungen. Nie fehlt es ihm an Zeit, einen Scherz anzubringen. Er ist jederzeit über das was er thut erhaben. Es scheint, als wären die Geschäfte ihm ein Zeitvertreib, und als bestünde sein Zeitverereib in Geschäften. Er besitzt einen außerordentlichen Verstand, eine beinahe übermenschliche Klugheit, und einen unermeßlichen Ehrgeiz. Er scheint gebohren, ein Reich zu erhalten, oder eines zu stürzen.

Mit diesen Eigenschaften eines Generals und eines Soldaten verbindet er ausgebreitete Kenntnisse. Er versteht die Lateinische, Spanische, Italienische, Engländische und Deutsche Sprache. Auch ist er, in der alten sowohl, als in der neueuern Litteratur, ziemlich belesen.

Von Person ist er ungewöhnlich klein und mager. Sein großer Geist wohnt in einem ganz unscheinbaren, kaum in die Augen fallenden Körper. Er kann von sich selbst sagen, wie Sappho beim Ovid:

Pondere, non nervis, corpora nostra carent.

Sein Angesicht ist blaß, aber seine Augen sind lebhaft und feurig. In aller Rücksicht ist es wahr, daß die außerordentlichsten Thaten unseres Zeitalters auch durch außerordentlichsten Mann unseres Zeitalters geschehen sind.


Von Reisenden.[]

Carl Gottlob Küttner.

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Im September 1797.

Unter den noch übrigen Dörfern sind Ham, der Stadt gehörig, und Wandsbeck auf Holsteinischem Boden, die merkwürdigsten. In der Nähe des erstern ist der ansehnliche, theils in Französischem, theils Holländischem Geschmacke, angelegte Garten der Madam Voght, Mutter des Etatsrathes. Er hat seine Verdienste in seiner Art, und ist, so wie das ansehnliche Haus, sehr gut unterhalten. Merkwürdiger, umfangender, auch in einem ganz andern Style angelegt, ist der Garten der Herrn Chapeau Rouge, eines Hamburger Kaufmannes. -- In dieser Gegend wohnt seit einiger Zeit der ehemalige Französische General Dumourier, der sehr eingeschränkt lebt, und wenig Gesellschaft sieht. Indessen habe ich ihn getroffen! Ich fand in seinem Umgange den Witz, die Gewandtheit und Lebhaftigkeit, den schnellen und scharfen Blick, und jene leichten und angenehmen Wendungen, die in seinen Schriften so sichtbar sind, und den Leser so sehr anziehen. Mit einer Unbefangenheit, die vielleicht nur ein Franzose in dem Grade haben kann, spricht er, als gingen sie ihm nichts an, von Dingen, an denen er selbst einen großen Antheil hatte. Während daß ein Deutscher, in seiner Gesellschaft, gerade um seinetwillen, gewisse Gegenstände nicht berühren würde, bringt er selbst die Unterredung auf Politik, auf die Französischen Geschäfte jenes Zeitpunktes, da er selbst eine große Rolle dabey spielte, und redet mit gleicher Leichtigkeit von der Schlacht bey Jemappe, und von der bey Nerwinden. -- Er hat bey seinem Aufenthalt in Deutschland unsere Sprache gelernt, und man sagt mir, eine seiner Beschäftigungen sey jetzt, das Werk in das Französische zu übersetzen, das der Hamburgische Domherr Meyer kürzlich über Paris herausgegeben hat. -- Sie wissen, daß man oft von dem General Dumourier gesagt hat, daß er sich, als er an der Spitze der Französischen Armee war, ein ansehnliches Vermögen erworben und gerettet habe. Manche gingen so weit, daß sie die Summe bestimmen wollten, die er in die Englischen Fonds gelegt habe. Diejenigen, die hier am genauesten mit ihm verbunden sind, behaupten, daß er äußerst wenig gerettet habe, und daß seine Schriften jetzt die vornehmste Quelle seines Einkommens seyen. Seine Lebensart und seine häuslichen Einrichtungen sind die eines Mannes von eingeschränktem Vermögen. Mit ihm lebt die Freundin, deren er in seinen Memoiren gedenkt. -- Einst zog er in einer Gesellschaft, da man eben von Gemählden sprach, und einige Miniaturen besah, eine goldene Dose mit dem Portrait Ludwig XVI. aus der Tasche. Wir untersuchten das Gemählde, und er setzte hinzu: "Dieß ist die Dose, die ich der Nationalversammlung mit den Worten überreicht haben soll: ich wollte nichts von einem Verräther besitzen." -- Er trägt das Ludwigkreuz nicht.


Dumouriez Vertrag mit dem General Magk.[]

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Der sieben und zwanzigste März 1793.

Dumouriez Kopf war nach der Schlacht bey Neerwinden von den Volksrepräsentanten zu Paris zu fallen bestimmt. Sein Leben zu retten, der Preis mochte seyn, welcher er wolle, war nun für ihn die dringendste Angelegenheit. Da schloß er am heutigen Tag mit dem österreichischen General Magk zu Ath folgenden Vertrag:

"Er wolle mit seiner Armee Belgien völlig räumen und gegen Paris marschiren. Wäre er in seinem Unternehmen glücklich, so wolle er es allein ausführen, im Gegentheil sollte ihm Oesterreich -- um die Constitution von 1791 herzustellen -- Hülfe leisten, und eine gewisse von ihm zu bestimmende Zahl von Truppen abgeben. Auf jeden Fall wolle er während seines Marsches nach Paris die Festung Condé den Oesterreichern zum Unterpfand geben und alle andern Festungen zur einen Hälfte mit fränkischen, zur andern mit österreichischen Truppen besetzen lassen."

Den weitern Verlauf dieser vorgehabten Expedition werden wir später hören.


Dumouriez endet seine Rolle.[]

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Der vierte April 1793.

Welchen Vertrag der fränkische General Dumouriez mit dem österreichischen General Magk geschlossen habe, wurde am 27ten März erzählt. Heute gedenken wir des Ausgangs dieser Geschichte, die sich nicht sehr rühmlich endete. Aus Paris kamen unter dem Vorwand, mit ihm die Mittel zur Behauptung Belgiens zu verabreden, in Wahrheit aber: um ihm auszuholen, drey Commissaire nach Tournai, wo Dumouriez eben war. Er ergoß sich in einem Strom von Vorwürfen gegen die Jacobiner und den Convent, hieß sie, "Tyrannen und Königsmörder" und erklärte sich hinlänglich, daß er nicht ruhen werden, bis die Constitution von 1791 mit einem König wieder hergestellt sey. Die drey Commissäre brichteten nun, was sie gehört hatten, und der Volkssenat wurde in die größte Verlegenheit gesetzt. Da aber alles auf dem Spiel stand, so dekretirte man: daß Dumouriez nach Paris kommen und vor den Schranken des Convents sich verantworten sollte. Vier Deputirte erhielten den gefährlichen Auftrag, unter Begleitung des Kriegsministers Beurnonville, der das Armeekommando übernehmen sollte, abzureisen und das Dekret zu vollziehen. Sie trafen ihn in St. Amand, ebenfalls in großer Ungewißheit, ob sein Plan gelingen werde, oder nicht, und überreichten ihm das Dekret. Nach vielen Debatten erklärten die Deputirten endlich, daß er des Kommandos entsetzt sey, und man sich seiner bemächtigen werde. "Dieß ist in der That zu stark" -- sagte Dumouriez -- "es ist Zeit, abzubrechen" und befahl in deutscher Sprache einer Abtheilung Husaren von Berchiny, die Deputirten sammt dem Kriegsminister zu arretiren, welches augenblicklich geschah, worauf sie nach Tournai abgeführt und an Clairfait übergeben wurden. Jetzt kam es nur noch auf die Gesinnung der Armee an. Ein Theil der Armee war ihm zugethan, allein einige Bataillone Freywilliger machten, daß der ganze Plan scheiterte. Sie kehrten sich gegen Dumouriez, und er dankte es nur der Schnelligkeit seines Pferdes, daß er ihnen entrann. Zwey Husaren und zwey Bediente von seinem Gefolge wurden getödtet, sein Sekretair gefanken, und starb später auf dem Schaffot. Ueber zehntausend Schüsse geschahen auf ihn und seine Begleiter. Mühsam rettete er sich nach Bury und wollte am folgenden Tag wieder nach St. Amand zurückkehren, allein er hörte durch sichere Nachrichten, daß auch der gröste Theil der Armee sammt der Artillerie ihn verlassen habe. Nun blieb ihm nichts mehr übrig als -- wie er sich schon früher ausgedrückt hatte -- ein Galopp zu den Oesterreichern. Und so endete der Mann, der kurz zuvor der Schrecken und die Bewunderung von Europa gewesen war, geächtet als Vaterlandesverräther, und floh mit wenigen Offizieren, 700 Mann Reitern und ungefähr 800 Infanteristen, die ihm noch allein ergeben geblieben waren, nach Tournai, wo er von dem General Clairfait aufgenommen wurde, und dann bald hier bald da in Deutschlaud in stiller Verborgenheit lebte.


Zeitungsnachrichten.[]

1793.[]

Brüssel, vom 30. Merz. [6]

Man will hier wissen, General Dümourier habe die Lust verlohren, für sein Vaterland zu fechten, das ihm für seine wichtigen Dienste mit Undank zu lohnen Mine machet. Dieser Mann, dessen kriegerischen Talenten man Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, und der noch Frankreichs einzige Stüze ist, soll einen Entwurf im Sinne haben, dessen Ausführung Frankreich stürzen, und dem leidigen Kriege ein Ende machen würde. Schon sollen deswegen die ersten Schritte gethan seyn. Bald wird sich das wahre oder falsche davon ausweisen.

Auszug eines Schreibens aus Frankfurt, vom 8. April. [7]

Nach eingegangenen officiellen Berichten hat sich General Dümourier zur Contrerevolution erklärt, und den Dauphin bey seiner Armee zum König prockamiert, auch bereits Valenciennes, Maubeuge, Conde und Lille denen Oesterreichern überliefert.

Frankfurt, vom 21. April. [8]

Gestern Nachmittag wurden wir durch die unvermuthete Ankunft des Französischen Generals Dümourier überrascht, der nebst einiger Officiers hier eintraf. Alles drängte sich hinzu, diesen merkwürdigen Mann zu sehen, der seinen Weg über Stuttgardt nach der Schweiz fortsezte.

Brüssel, vom 28. May. [9]

Gestern, den 27sten, ist Dümourier abermahl hier angekommen. Die mit ihm desertirten Franzosen, nebst jenen, die seit der lezten Bataille übergelaufen sind, so man auf 2000. Köpfe rechnet, sollen sämmtlich nach ihm verlangt haben, um mit ihm nach der Armee des Gastons geführt zu werden. Dümourier soll, der Sage nach, durch eine Staffete abgeholt worden seyn. Er hatte sich diese ganze Zeit zu Mergentheim aufgehalten.

Brüssel, vom 3. Brachmonat. [10]

Dümourier hat hier eine unterm 1. Jun. datirte Schrift drucken und öffentlich verkauffen lassen, unter dem Titel: Schreiben an den Präsidenten des National-Conventes samt einer Addresse an die französische Nation. Die Regierung hat diese Schrift in der Nacht vom 1ten auf den 2ten aufheben und den Verkauf derselben verbieten lassen. Gesagtes Stück redet von fast nichts anders, als von Volkssouverainetät, Freiheit, Gleichheit xc. und nennt jenes Ungeheuer von Revoluzion, das er für das menschliche Geschlecht so vortheilhaft schildert, erhaben, und man kan daraus ganz klar sehen, daß er von dem Jakobinerfieber noch nicht geheilet ist. Er macht sich nun, wie man sagt, gefaßt, nach Engelland überzusezen, um in diesem Königreich eine Freistätte zu finden, die er vergeblich in Deutschland gesucht hatte.

London, vom 21. Brachmonat. [11]

-- Dumourier, welcher vor einigen Tagen hier angekommen ist, ließ sich sogleich bey dem Minister, Lord Grenville, melden. Er erhielt zur Antwort: Es dörfte aus seiner hiesigen Anwesenheit einige Inkonvenienzen entstehen. Er hat deswegen auch vorgestern schon London wieder verlassen und die Reise nach Ostende angetretten.


Einzelne historische Züge und Anekdoten.[]

[1806]

[12]
Kürzlich ist der bekannte General Dumouriez, von dem man lange nichts gehört hatte, wieder in England eingetroffen. Seine großen militärischen Talente und Erfahrungen veranlaßten bei gewissen Mächten den lebhaftesten Wunsch, ihn auf dem Continente zu haben. Das Verhängniß wollte es aber, daß ihr Wunsch diesem Officiere zu spät mitgetheilt wurde. Dennoch eilte Dumouriez mit Genehmigung der Brittischen Regierung in möglichster Eile nach dem Schauplatze des Kampfes; kaum war er indeß in Cuxhaven gelandet, so kam die Nachricht von dem Einzuge der Franzosen in Wien an. Diese bestimmte den General einen andern Weg einzuschlagen, er suchte die Alliirten zu erreichen, wo sie auch seyn mochten, und nicht ohne große Schwierigkeiten kam er zu seinem Zwecke. Am 4ten December war Dumouriez in Dresden, am 7ten in Prag, und am 13ten traf er bei den beiden Kaisern zu Troppau ein. In der damaligen Lage der Sachen war für Dumouriez freilich nichts mehr zu thun. Er wollte daher auch sogleich wieder zurückreisen, blieb jedoch auf erhaltene Einladung bis nach dem Abschlusse des Definitiv-Friedens in jenen Gegenden, aus denen er nunmehr über Stralsund und Schweden nach England zurückgekehrt ist.


[1811]

[13]
Endlich hat auch der bekannte General Dumouriez sein unruhiges und wechselvolles Leben beschlossen. Er starb nach öffentlichen Französischen Nachrichten in Spanien, in einer kleinen Stadt des Königreichs Grenada, von Niemanden bedauert noch geachtet. Dies Ende nahm ein Mann, den seine Talente zu einer großen Rolle bestimmten, der sie aber mißbrauchte, um eine unglückliche Celebrität zu erlangen. Man weiß nicht einmal mit Bestimmtheit der Ort, wo der Feldherr, der einst die Französischen Heere in ewig denkwürdigen Schlachten anführte, mit dem Ziel seines Lebens die Ruhe fand, die ihn floh, seit er die Sache seines Vaterlandes verrathen hatte.



Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Politische Annalen herausgegeben von Christoph Girtanner. Dritter Band. Berlin. Bey Johann Friedrich Unger. 1793.
  3. Reise durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen und einen Theil von Italien, in den Jahren 1797. 1798. 1799. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1801.
  4. x
  5. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  6. Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 10. April, 1793. Num. 29.
  7. Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 13. April, 1793. Num. 30.
  8. Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 27. April, 1793. Num. 34.
  9. Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 8. Brachmonat, 1793. Num. 46.
  10. Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 12. Brachmonat, 1793. Num. 47.
  11. Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 3. Heumonat, 1793. Num. 53.
  12. Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Jahrgang 1806.
  13. pj1811

Literatur.[]

  • Der entlarvte Dumourier. Erzählung des Lebens und der Abenteuer des Helden bei Jemappe. Nach dem Englischen des Herrn De Viette, eines französischen Offiziers. Leipzig, bei Joh Gottl. Imm. Breitkopf, Sohn und Comp. 1794.
  • Denkwürdigkeiten des Generals Dümouriez. Von ihm selbst geschrieben. Mit Anmerkungen von Christoph Girtanner. Frankfurt und Leipzig, 1794.
  • Das Leben des Generals Dümouriez. Von ihm selbst. Hamburg, 1795. bei Benjamin Gottlob Hoffmann.

Werke.[]

  • Denkwürdigkeiten des Generals Dümouriez. Von ihm selbst geschrieben. Mit Anmerkungen von Christoph Girtanner. Frankfurt und Leipzig, 1794.
  • Das Leben des Generals Dümouriez. Von ihm selbst. Hamburg, 1795. bei Benjamin Gottlob Hoffmann.
  • Sendschreiben des Generals Dümouriez an den Uebersetzer seiner Lebensbeschreibung. Eine Fortsetzung der politischen Uebersicht des künftigen Schiksals von Frankreich. Hamburg, 1795. Bei Benjamin Gottlob Hoffmann.
  • Dümouriez und Mallet dü Pan über den Krieg. Im Aprill 1799.
  • Des Generals Dümouriez Historisch-Statistisches Gemälde von Portugall. Aus dem Französischen übersetzt, und mit einigen Zusätzen begleitet von Bernhard Reith. Leipzi, bey Friedrich Gotthold Jacobäer, 1797.

Porträten.[]

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