Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Berg, ein Großherzogthum während der Zeit des rheinischen Bundes auf der rechten Seite des Nieder-Rheins, nun aber ein preußisches Herzogthum in der Provinz Cleve und Berg.


Herzogthum Berg.[]

Dieses Land und mehrere angränzende Gebiete hatten sich nach und nach, nachdem sie vorher einzeln beherrscht und mannichfaltig vererbt worden waren, zu einem einzigen, in sich zusammenhängenden Staate gebildet, welcher dadurch zu einer der vorzüglichsten Provinzen der nördlichen Deutschlands geworden, und endlich im Jahre 1609 aus den Herzogthümer Jülich, Cleve, Berg, den Grafschaften Mark und Ravensberg, und der Herrschaft Ravenstein zusammengesetzt war, welchen Staat im angezeigten Jahre den Herzog Johann Wilhelm (Wilhelm III.) unter seiner alleinigen Oberherrschaft vereinigte.

Der Tod dieses Fürsten, welcher am 25sten März jenes Jahres erfolgte, gab Veranlassung zu dem berühmten jülichschen Erbfolge- (Successions-) Streite. Da nämlich jener Fürst keine männliche Erben hinterlassen hatte; so traten die beiden sächsischen Häuser der albertinischen und ernestinischen Linie auf und machten die Ansprüche geltend, zu denen sie insofern berechtigt zu seyn glaubten, als sie bereits im fünfzehnten Jahrhunderte unter der Bedingung eine kaiserliche Anwartschaft auf Jülich erhalten hatten, als der Mannesstamm desselben Hauses aussterben würde. Hierbei begründete die ernestinische Linie noch außerdem ihre Ansprüche auf den Umstand, daß der Churfürst Johann Friedrich mit der clevischen Prinzessin Sybilla, der Vatersschwester Herzog Wilhelm III., vermählt gewesen war. Außer jenen beiden sächsichen Häusern machten noch der Churfürst Johann Sigismund von Brandenburg, dessen Gemahlin Anne die Tochter der bereits verstorbenen ältesten Schwester des erwähnten Herzog Wilhelm III. war, und der Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg, der Gemahl der zweiten Schwester desselben Herzogs, auf die Erbfolge in den besagten Ländern Anspruch, indem sie sich auf das privilegium habilitationis (Anwartschaftsrecht) beriefen, welches Carl V. im Jahre 1546 der Prinzessin Maria von Oesterreich, Tochter Ferdinands I., bei ihrer Vermählung mit dem Herzog Wilhelm II. von Jülich und Berg, dem vorletzten Regenten, auf den Fall ertheilt hatte, daß der jülichsche Mannesstamm erlöschen sollte, nach welchem Anwartschaftsrechte alsdann die Töchter des erwähnten Herzogs Wilhelm II., welche derselbe mit Maria von Oesterreich erzeugen würde, so wie deren nachgelassene männliche Erben, folgen sollten. Dieses den Häusern Brandenburg und Pfalzneuburg später ertheilte kaiserliche Privilegium, welches der frühern sächsischen Anwartschaft entgegenstand, suchten jene beiden Häuser nach Wilhelms III. Tode geltend zu machen, indem sie sogleich von den erledigten Ländern Besitz nahmen, und deßhalb am 10ten Juni 1609 zu Dortmund einen Provisionalvergleich abschlossen, nach welchem sie mit Einwilligung der Landstände die streitigen Länder bis zur Entscheidung der ganzen Angelegenheit gemeinschaftlich besitzen wollten, und sich gegenseitig dabei schützen und vertheidigen versprachen. Jetzt berief der Kaiser die gesammten Prätendenten binnen vier Monaten an seinen Hof, um dort die Sache zu entscheiden, und übertrug interimistisch dem Erzherzoge Leopold, Bischof von Passau und Straßburg, die Sequestration des Landes. Dieser bemächtigte sich auch in der That der Festung Jülich. Als er aber den Häusern Brandenburg und Neuburg nicht entging, daß der Kaiser die erledigten Länder als ein eröffnetes Reichslehen an sein eigenes Haus zu bringen suchen wollte: so eroberten sie, unterstützt von Frankreich und den Niederlanden, im Jahre 1610 Jülich wieder, hoben die kaiserliche Sequestration auf und behaupteten sich auch, aller Widersprüche Sachsens ungeachtet, die selbst durch den westphälischen Frieden nicht aufgehoben wurden, in dem Besitze, worauf sie endlich im Jahre 1666 die Länder dergestalt unter sich vertheilten, daß die Herzogthümer Jülich und Berg an das pfälzische, das Herzogthum Cleve und die Grafschaften Mark und Ravensberg an das brandenburgische Haus kamen, worauf diese beiden Häuser auch im Jahre 1678 unter gewissen Modificationen die kaiserliche Belehnung erhielten.

Dieser brandenburgische-pfälzische Besitzstand dauerte in den sämmtlichen jülich-clevischen Ländern fort bis zu den Resultaten des baseler Friedens, welchen Preußen 1795, und des lüneviller Friedens, welchen das deutsche Reich 1801 mit Frankreich abschloß. Nach dem fünften Artikel des baseler Friedens trat Brandenburg (Preußen) sein jenseit des Rhein gelegenes Cleve bis zur allgemeinen Friedensunterhandlung zwischen Frankreich und Deutschland an die französische Republik ab, und erhielt dafür in geheimen Artikeln die Zusage, daß dasselbe demnächst durch Säcularisation (Einziehung geistlicher Staaten unter weltliche Herrschaft) entschädigt werden sollte. So ging ebenfalls bei Abtretung des linken Rheinufers im lüneviller Frieden für Pfalzbayern das Herzogthum Jülich verloren. Im Allgemeinen erhielten Preußen und Bayern für diese Abtretungen durch den Reichs-Deputationshauptbeschluß sehr bedeutende Entschädigungen auf dem rechten Rheinufer, so wie auch bis zum Jahre 1806 Bayern in dem Besitze des dieseit des Rhein gelegenen Herzogthum Berg (70 Q. M., 294,700 Einw.), und Preußen in dem Besitze seines eben daselbst gelegenen Theils des Herzogthums Cleve (24 Q. M., 77,300 E.) blieb. Diese Lage der Dinge ward aber verändert, als der preußische Minister, Graf von Haugwitz, kurz nach der Schlacht bei Austerlitz, am 15ten Dec. 1805, einen Tractat zwischen Frankreich und Preußen schloß, in welchem Frankreich das Churfürstenthum Hannover an Preußen abtrat, und Preußen dagegen die Fürstenthümer Anspach, Neufchatel und Cleve diesseits des Rheins der Disposition des Kaisers Napoleon überließ. Nach einem zweiten Tractate vom 25sten Febr. 1806, welcher zu Paris zwischen Haugwitz und Duroc abgeschlossen ward, nahmen die Franzosen von diesen Ländern Besitz, wogegen Hannover dem Könige von Preußen übergeben wurde. Das von Preußen abgetretene Fürstentum Neufchatel und Valengin gab der Kaiser dem Marschall Berthier und das Fürstenthum Anspach dem König von Bayern, wogegen dieser das am Rhein gelegene Herzogthum Berg dem Kaiser Napoleon überließ.


Großherzogthum Berg.[]

Aus diesem van Bayern abgetretenen Herzogthume Berg, und dem dieseit des Rheins gelegenen preußischen Herzogthume Cleve, bildete Napoleon einen neuen deutschen Staat, das Herzogthum Berg, zu dessen Herzog und Regenten er am 15ten März 1806 seinen Schwager, den Prinzen und Reichsmarschall Joachim Murat, ernannte. Dieser neugeschaffene Staat umfasste bey seinem Entstehen 94 Q. M. und 372,000 Einwohner. Als wenige Monate nachher die Stiftung des Rheinbundes die ganze politische Form des westlichen und südlichen Deutschlands veränderte; so wurde der Herzog Joachim von Berg und Cleve eins der ersten Mitglieder dieses Bundes und nahm in Folge dessen den großherzoglichen Titel an, so wie denn auch der neue Staat von Cleve und Berg seit dieser Zeit das Großherzogthum Berg hieß. Der Rang des Großherzogs wurde zwischen Baden und Hessen bestimmt, so wie mit demselben auch alle Rechte, Ehrenbezeichnungen und Vorzüge, welche der königlichen Würde zukommen, verbunden worden sind. In Folge der Bundesacte cedirte der Herzog von Nassau dem Großherzoge von Berg Stadt und Gebiet von Deutz (Duytz), Stadt und Amt Königswinter und das Amt Villich. Unter die Souverainetät des Großherzogs von Berg kamen, außer der innerhalb seines neuen Gebietes enclavirten ritterschaftlichen Besitzungen, zum Theil der Fürst von Nassau-Oranien; zum Theil der Fürst von Wied-Runkel; der Graf von Bentheim-Steinfurt (28 Q. M., 44,000 E.); die Grafen Gimborn und Neustadt; die Besitzungen des Grafen Walmoden-Gimborn (2½ Q. M., 6,500 E.); die Grafschaft Horstmar, welche dem Rheingrafen von Salms gehört (31 Q. M., 47,000 E.), zum Theil der Herzog von Looz; die Herrschaft Styrum, dem Grafen von Limburg-Styrum zugehörig; die Herrschaft Hardenberg, dem Freiherrn von Wendt zugehörig; die Herrschaft Wildenberg, dem Grafen von Hatzberg zugehörig; die Herrschaft Bruch, der Witwe des prinzen Georgs von Darmstadt, einer gebornen Gräfin von Leiningen zugehörig, von der sie an die Kinder dieses Prinzen selbst fallen werden; die Herrschaft HomburgGrafschaft Homburg, am linken Mainufer, dem Grafen von Sayn-Witgenstein-Berleburg gehörig; und die Herrschaften Westerburg und Schadeck, den zwei Linien der Grafen von Leiningen-Westerburg zugehörig.

Kaum war aber in dem darauf entstandenen Kriege zwischen Frankreich und Preußen im Jahre 1806 der Hauptschlag in Thüringen gegen die Preußen geschehen, als der Kaiser Napoleon durch ein Decret vom 23sten Oct. desselben Jahres nicht nur alle preußischen Länder diesseit der Elbe in Besitz nahm, sondern auch erklärte, daß nebst andern Fürsten auch der Fürst von Fulda aufgehört habe zu regieren. Von den im darauf folgenden tilsiter Frieden (am 9ten Juli 1807) von Preußen abgetretenen westphälischen Provinzen verband der Kaiser Napoleon hernach durch ein Decret vom 1sten März 1808 mit dem Großherzogthum Berg den preußischen Antheil von Münster (27 Q. M., 130,000 Einw.); die Grafschaft Mark (46 Q. M., 138,000 E.); die Grafschaften Tecklenburg und Lingen (15 Q. M., 45,000 E.); und die Abteien Elten, Essen und Werden (8 Q. M., 23,300 E.).

Nachdem der Kaiser Napoleon seinen Bruder Joseph, der seit dem 30sten März, 1806 König von Neapel gewesen war, auf den spanischen Thron erhoben hatte, erklärte er den bisherigen Großherzog von Berg, Joachim Napoleon, zum Könige von Neapel. Dieser trat seine Regierung am 1sten Aug. 1808 an, und das erledigte Großherzogthum Berg ward bis zum 3ten März 1809 für den Kaiser Napoleon administrirt. An diesem tage ernannte er seinen Neffen, den damaligen Kronprinzen von Holland, Napoleon Ludwig (geb. am 11ten Oct. 1804) zum Großherzoge von Berg, behielt sich aber die Regierung und Administration des Landes bis zur Volljährigkeit des Prinzen Napoleon Ludwig vor, und übernahm zugleich die Erziehung des Prinzen. Seit dieser Zeit wurde die Regierung von dreien Ministern, unter der Leitung eines kaiserlichen Commissairs geführt. Bestandtheile des Landes, einen Flächenraum von 315 Quadratmeilen umschreibend, waren die Herzogthümer Berg, Cleve und Münster, die Grafschaften Mark, Lingen, Tecklenburg und Dortmund, und mehrere standesherrliche Bezirke. Das Ganze war, nach französischer Manier, in vier Departements, mit den Hauptstädten Düsseldorf, Dillenburg, Dortmund und Münster eingetheilt.

Als aber Napoleon am 10. Dec. 1810 die Vereinigung der Schelde- Maas- Rhein- Weser- und Elbemündungen mit seinem ungeheuern Reiche verfügte, wurde eine Landesfläche von 60 Quadratmeilen von dem Großherzogthum abgeschnitten, wofür es in der Grafschaft Reklinghausen einen dürftigen Ersatz von 12 Quadratmeilen erhielt.


Herzogthum Berg (Preußen).[]

Die französische Herrschaft nahm auch hier durch den siegreichen Feldzug von 1813 ein Ende, das Großherzogthum wurde durch die Wiener Unterhandlungen dem Könige von Preußen zugeschieden, und ein königliches Patent vom 5ten April 1815 kündigte den Innwohnern die Besitznahme des neuen Souverains an. Bei der Organisation der westlichen Provinzen der Monarchie ward Berg zu einem Bestandtheile der Provinz Cleve und Berg gemacht, und der Regierung zu Düsseldorf untergeordnet, deren Wirkungskreis das jetzige Herzogthum umschreibt. dasselbe enthält auf dem rechten Rheinufer das alte Herzogthum Berg, mit Broich und Styrum, Essen und Werden, die von Nassau und Oranien erworbenen Länder, die Neuwiedischen und Runkelschen Besitzungen zum Theil, die Solmsischen, welche unter Nassauischer Hoheit standen, die Herrschaften Homburg, Gimborn und Neustadt, auch Windenburg; auf das linken Rheinufer die Kantone Uerdingen, Neersen, Viersen, Odenkirchen, Elsen, Neuss und Dormagen.

Zur Beförderung der Industrie hat die lange Regierung des Churfürsten Carl Philipp Theodor von 1743 bis 1799 am meisten mitgewirkt. Er, durch die Landesconstitution zum theil dazu gezwungen, ließ dem Gewerbe und dem Handel volle Freiheit, und bestrebte sich ernstlich, alle Hindernisse derselben aus dem Wege zu räumen. Nach dem siebenjährigen Kriege besonders nahm die allgemeine Industrie einen kräftigen Schwung, der immer im Steigen war, bis die französischen Gesetze den Fabriken des Großherzogthums die Einfuhr in Frankreich und Italien versperrten, und der Seekrieg die Ausfuhren aus Holland lähmte. Um den Handelsflor des ehemaligen bergischen zu bezeichnen, hat man es sehr oft ein England im Kleinen genannt. Man findet darin ein Manchester (das Thal Barmen), ein Leeds (Lennep), ein Birmingham und Sheffield (Remscheid und Solingen), so wie denn auch viele neuere Fabrik- und Manufacturanlagen mit ähnlichen Namen, unter andern, die großen Maschinenspinnereien bei Ratingen mit dem Namen Cromford, nach dem in Derbyshire gelegenen Orte, wo Arkwright (s. d. Art.) zuerst seine Baumwollenspinnereien errichtet hatte, belegt worden sind. In Elberfeld befinden sich große Banquiers und Wechselhäuser, die durch ihren Credit auf allen Handelsplätzen Europens zur Belebung des Ganzen sehr thätig mitwirken. Der jährliche Umsatz des Wechselhandels im bergischen wird auf zwölf, und der des Waarenhandels auf zehn Millionen Thaler angegeben.


Quellen und Literatur.[]

  • Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
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