Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Advertisement
Ad. Ludw. v. Ochs Kurhess. General-Major.

Von unbemittelten Eltern, die nichts zu seiner ersten Bildung aufwenden konnten, in dem oberhessischen Städtchen Rosenthal geboren, zeigte der junge Ochs schon früh einen überwiegenden Hang zum Soldatenstande. Er war erst funfzehn Jahre alt, als der nordamerikanische Unabhängigkeitskampf begann, an welchem in den Reihen der Engländer neben andern Deutschen vornehmlich die Hessen Theil nehmen sollten. Natürliche Neigung trieb den jungen Ochs, bei dem damals neu errichteten hessischen Jägercorps Dienste zu suchen, und es gelang ihm trotz seiner Jugend im Anfang des Jahres 1777 als Fournier bei demselben angestellt zu werden. Schon im Frühjahr bestieg er das Schiff, das ihn nach der neuen Welt brachte. Hier unter einem fremden Himmel, unter fremden Menschen, fern vom Vaterlande, mußte der sich selbst überlaßne und immerdar von Gefahren umringte Jüngling jene Selbstständigkeit des Charakter, jenes Vertrauen in die eignen Kräfte und Mittel gewinnen, die ihn nachmals nie verlassen und die er späterhin in allen lagen seines Lebens gezeigt hat.

Der amerikanische Krieg, der seiner Natur nach ganz dazu geeignet war, die mannichfaltigste Uebung im leichten Truppendienste an die Hand zu geben und den Officier zum Feldherrn vorzubereiten, ist als die eigentliche Schule anzusehen, in welcher Ochs die erste militärische Bildung erhielt. Die Erfahrung war seine große Lehrmeisterin; auferzogen in den Feldlagern, geangte er im praktischen Kriegsdienste zu einer seltnen Kenntniß alles dessen, was der Soldat und der Anführer zu thun und zu lassen hat. Je größer und mannichfaltiger die aus der Natur der Sache hervorgehenden Unfälle der brittischen und hessischen Waffen waren, desto mehr fand ein junger Krieger Gelegenheit, einen Schatz köstlicher Erfahrungen für alle Zukunft zu sammeln, und Kaltblütigkeit in der Gefahr, Verachtung des Todes in der Schlacht zu erwerben.

Der Commandeur des hessischen Jägercorps, Oberst von Wurmb, späterhin Generallieutenant und Gouverneur von Cassel, ein eben so braver als einsichtsvoller Officier, erkannte sehr bald die natürlichen Anlagen des Fouriers Ochs, und schlug ihn wiederholt zum Officier bei den Jägern vor; aber Mangel an Connexionen verzögerte seine Ernennung bis zum Jahr 1780. Von dieser Zeit an machte er alle Feldzüge in Amerika als Lieutenant und Adjutant des genannten Generals von Wurmb mit, machte sich besonders die Kunst der Terrain-Recognoscirungen zu eigen, und that sich bei mannichfaltigen Gelegenheiten vor Andern hervor.

So schwierig die Rolle sich zeigte, welche den hessischen Jägern bei den mannichfaltigen, oft äußerst beschwerlichen und gefahrvollen Hin- und Herzügen, Vor- und Rückmärschen, Landungen und Einschiffungen, die im Laufe des Krieges vorkamen, übertragen war, so konnte sie doch ihrer Natur nach nie glänzend erscheinen. Sie hatten gewöhnlich den härtesten Stand und litten am meisten. Es gleicht daher einem halben Wunder, daß Ochs in dem ganzen amerikanischen Kriege, worin er so viele hartnäckige Gefechte zu bestehen hatte und als Adjutant des Commandeurs der Jäger so zahllosen Lebensgefahren ausgesetzt war, auch nicht ein einzigesmal verwundet wurde; ein Glück, dessen er sich in spätern Kriegen nicht zu rühmen hatte.

Endlich kam der Friede und führte auch das freilich sehr zusammengeschmolzene hessische Hülfscorps in seine Heimath zurück. Mehrere zogen es vor, sich in Amerika anzusiedeln; auch Ochs hatte mehrfach Gelegenheit, ein sehr vortheilhaftes Unterkommen dort zu finden, aber die Liebe zum Vaterlande trieb ihn zurück. Bei seiner Ankunft in Hessen wurde er zu dem Corps der Leibjäger versetzt, und nun benutzte er sogleich seine Muße im Friedensstande, das bisher nur praktisch geübte Kriegshandwerk nach allen seinen Zweigen theoretisch zu studiren. Er nahm damals zuerst Unterricht in der Mathematik, und der unermüdliche Fleiß und Eifer, welche er anwandte, seinen Geist durch nützliche Kenntnisse zu bereichern, hatten einen solchen Erfolg, daß man bald ausgezeichnete Wissenschaft im Kriegsfach an ihm rühmen konnte. Schon im Jahr 1787 wurde ihm der Beruf zu Theil, die seinem Commando untergeordneten Jäger die Geometrie zu lehren; zu gleicher Zeit war er es, dem man die Leitung der Vermessung der sämmtlichen hessischen Forste anvertraute, welche er auch durch seine Schüler unter den gelernten Jägern ausführen ließ.

Im J. 1788 erhielt Ochs durch Vermittlung seines amerikanischen Waffenbruders und Freundes Ewald einen Ruf nach Dännemark als Hauptmann, mit Uebertragung einer Compagnie im holsteinischen Jägercorps. Man versagte ihm aber in Hessen den Abschied und ernannte ihn zur Entschädigung, außer der reihe, zum Stabscapitän.

Im J. 1792 machte der französische Revolutionskrieg auch der bisherigen Waffenruhe in Hessen ein Ende. Im August jenes Jahres zog sich ein Heer von Oestreichern und Preußen in der Gegend von Coblenz zusammen, zu welchem auf besonderes Verlangen der Kurfürst von Hessen mit 6000 Mann seiner Truppen stieß. Ochs hatte eine Compagnie bei den hessischen Jägern. Sowohl seine, im amerikanischen Kriege erworbnen Erfahrungen, als die weitere Ausbildung in der Kriegskunst, die er sich während des Friedens verschafft hatte, fanden jetzt ihre Anwendung, und konnten ihren Zweck nicht verfehlen. Er machte sich bei allen vorkommenden Gelegenheiten bemerkbar, und gelangte schon damals zu dem Ruf eines sehr ausgezeichneten Officiers, der dem hessischen Militär Ehre brachte.

Bekanntlich hatte man die Absicht, auf Paris zu marschiren; aber bald nach der Canonade von Valmy sah man sich genöthigt, den Rückzug durch die Champagne anzutreten, der durch Beschwerden aller Art bezeichnet wurde, den Deutschen aber noch ungleich verderblicher hätte werden müssen, wenn Dumouriez und Custine größern Eifer bewiesen hätten. Statt die Verbündeten von Coblenz abzuschneiden, verweilte Letzterer in Frankfurt. Erst bei dem weitern Rückzug stießen die den Vortrab bildenden hessischen Jäger bei Weilburg auf ein französisches Streifcorps unter Houchard, das von Nauheim gekommen war, um dem Fürsten von Nassau-Weilburg einen Besuch zu machen. Die Franzosen erwarteten hier keinen Feinde, und obgleich sie Canonen bei sich hatten, schlug doch Ochs sie mit etwa hundert Jägern in die Flucht. Das zurückgekehrte Heer bezog darauf enge Cantonirungen an der Lahn, und rückte sodann wieder durch die Wetterau nach Frankfurt am Mayn, das sich noch immer im Besitz der Franzosen befand.

Bei der Einnahme von Frankfurt (am 2ten Dec. 1792) befehligte Ochs die Leibcompagnie der hessischen Jäger, und befand sich an der Spitze der Colonne, welche den Angriff auf das Friedberger Thor machte. Nachher, stand er unter König Friedrich Wilhelms eigenem Befehl. Im Frühjahr 1793 war er bei der Vertheidigung des Carlsberges und im Junius desselben Jahres marschirte er mit der ihm zu Theil gewordenen Jägercompagnie nach Brabant. Es wurden ihm nun gewöhnlich Vorpostencommando's anvertraut, und er zeichnete sich durch mancherlei in das französische Gebiet gewagte Streifzüge aus, die um so schwieriger waren, als jeder Bewohner des Landes zugleich für einen Feind gelten mußte. Als die englische Armee unter dem Herzog von York gegen Dünkirchen vorrückte, wurde Ochs beim Uebergange über die Lys zu Ost-Capelle, dem feindlichen Lager, das diesen Fluß besetzt hielt, in der Nacht in den Rücken detaschirt. Diese mit Vorsicht und Geschicklichkeit ausgeführte Sendung gelang so vollkommen, daß die Franzosen bei der unerwarteten Erscheinung in ihrem Rücken in Unordnung geriethen, die Vertheidigung des Flusses aufgaben und nach Bergen flüchteten, wobei sie eine Menge Munitionswagen und mehrere Canonen verloren. Zum Lohn für diese Waffenthat erhielt Ochs von seinem Fürsten das Kreuz des hessischen Militärverdienstordens. Der Herzog von York ließ aus Erkenntlichkeit ihm und seinen Jägern eine bedeutende Summe Geldes auszahlen, und der commandirende General von Freytag dankte ihm in einem öffentlichen Tagesbefehl für sein ausgezeichnetes Benehmen.


In der Schlacht von Hontschorten (Sept. 1793) focht Ochs mit dem hessischen Jägern gegen den französischen General Vandamme. Man mußte der Uebermacht weichen und Ochs wurde schwer verwundet. Diese Wunde nöthigte ihn, nach Brügge zurückzugehen und eine kurze Zeit vom Kampfplatze abzutreten, wo inzwischen die Waffen der Verbündeten unglücklich waren. Das Frühjahr 1794 fand Ochs wieder hergestellt und in Thätigkeit. Er befehligte Vorpostencommando's unter dem alten verdienstvollen General von Hammerstein. Aber auch dieser Feldzug mißglückte, und das englische Heer mußte sich nach Holland zurückziehen und hinter der Maas aufstellen. Das Corps des Generals von Hammerstein machte die Arriergarde und Ochs führte dessen Nachtrab unter immerwährenden oft blutigen Gefechten. Bei der Räumung von Mecheln verlor er ein Pferd unter dem Leibe. Der Uebergang über die Nethe wurde von ihm den Franzosen zwei Tage lang streitig gemacht, wodurch die Armee Zeit gewann, ihren Rückzug bis hinter die Maas fortzusetzen. Die hessischen Jäger hatten viel gelitten, und erst als die Maas erreicht war, durften sie auf kurze Zeit Erholungsquartiere beziehen. Die Franzosen aber rückten bald bis an die Maas vor, und belagerten Grave und Nimwegen. Ochs hatte sich in unaufhörlichen Scharmützeln stets mit einer überlegnen Menge französischer Tirailleurs herumzuschlagen. Man mußte endlich auch die Maas verlassen und sich hinter die Waal ziehen. Aber auch hier vergönnte der ungewöhnlich strenge Winter keine Ruhe. Die Franzosen beschlossen ihr Glück weiter zu verfolgen und auf der Eisdecke Holland zu erobern. Es kam zu hitzigen Gefechten, in denen es an heldenmüthigen Anstrengungen und Aufopferungen Einzelner nicht fehlte; jedoch alles vergebens. Man sah sich gezwungen, Holland seinem Schicksale zu überlassen. Ochs hatte auch jetzt wieder mit seinen Jägern den letzten Nachtrab. Er verließ den 16. Januar 1795 den Lake bei Wyk und deckte den Rückzug des verbündeten Heeres, der bis hinter die Ems ging, so daß nur die Vortruppen auf der holländischen Gränze stehen blieben. In dieser Stellung blieb man, bis die Franzosen nach der Eroberung und Umgestaltung von Holland die Verbündeten auch von der holländischen Gränze zu vertreiben für nöthig hielten. Bei seinem Rückzuge von Bentheim wurde, durch das Versehen eines hohen Stabsofficiers, der ganze Nachtrab abgeschnitten. Ochs selbst gerieth in feindliche Gefangenschaft, fand aber Mittel, sich während des Gefechtes wieder loszumachen, und rettete glücklich, was noch zu retten war. Der Tagsbefehl des commandirenden Generals von Walmoden enthielt über diesen Vorfall folgende Stelle: "Insbesondre dankt der commandirende General dem sich schon so oft und vielfach ausgezeichneten Hauptmann Ochs von den hessischen Jägern für seine bei dieser unglücklichen Gelegenheit bewiesene Geistesgegenwart und für seine zweckmäßigen Anordnungen, wodurch so vieles noch glücklich gerettet worden."

Der Baseler Friede lähmte die weitern Kriegsunternehmungen. Ochs, der das Zutrauen des commandirenden Generals in vollem Maaße genoß, ward von ihm zu mehreren geheimen Sendungen gebraucht. Zugleich bot man ihm eine englische Majorstelle bei den neu geworbnen Truppen an, die er aber aus Liebe für den vaterländischen Dienst ausschlug.

Nach dem Friede wurden die hessischen Truppen auf den Friedensfuß gesetzt. Ochs aber erhielt die neue Bestimmung, mit den Jägern in der Grafschaft Hanau den Neutralitätscordon zu besetzen. Nicht lange darnach ernannte ihn sein Landesfürst zum Generalquartiermeister-Lieutenant im Generalstabe. Als solcher bekam er den Auftrag, das hessische Exercir- und Dienstreglement für die Infanterie zu entwerfen. Dieses Werk konnte freilich nicht ganz im Geiste des neuern Kriegssystems abgefaßt werden, gehört aber dennoch zu den vollständigsten und zweckmäßigsten Arbeiten, welche in jener Zeit vorhanden waren.

Im Jahr 1799 stieg Ochs zum Range eines Majors und Commandeurs des hessischen Jägercorps empor. Der Kaiser erhob ihn, seines in den niederländischen Feldzügen bezeigten Betragens wegen, in den Reichsadelstand. Das Jahr darauf bekam er ein schmeichelhaftes Anerbieten in preußische Dienste zu treten; der weitere Wirkungskreis lockte ihn an und er bat um seinen Abschied, der ihm jedoch abermals verweigert wurde.

Im Jahr 1805 wurde Ochs zum Obristlieutenant und Commandeur einer Brigade leichter Truppen, mit Beibehaltung seiner Stelle im Generalstabe, ernannt. In dieser Eigenschaft marschirte er mit dem combinirten preußisch-hessischen Corps, dessen Oberbefehl der Kurfürst übernommen hatte, zu Ende dieses Jahres nach Fulda. Der damals beabsichtigte Feldzug hatte jedoch nicht statt, und Ochs kehrte mit den Truppen wieder nach Hessen zurück.

Schon seit längere Zeit gehörte Ochs zu dem engern Kreise derjenigen Personen, die von dem Kurfürsten mit besonderem Vertrauen beehrt wurden. Er führte die militärische Correspondenz im Cabinet und wurde in allem gebraucht, was auf das Militär Bezug hatte. So erhielt er auch den Auftrag, die Einrichtungen des hessischen Kriegswesens zu vertheidigen, als sie von Porbeck öffentlich angegriffen wurden.

Da riß plötzlich das Schicksal alles aus seinen Fugen und führte eine neue Ordnung der Dinge herbei. Das merkwürdige Ereigniß, vermöge dessen der hessische Kurstaat nach dem Ausbruche des Krieges zwischen Preußen und Frankreich im J. 1806 von den Franzosen besetzt und gänzlich aufgelöst wurde, hat in unsern Tagen wegen seiner Folgen bei der Rückkehr des Kurfürsten in seine Staaten ein unerwartetes Interesse gewonnen; wir verweilen um so mehr bei den dasselbe begleitenden Umständen, als Ochs eine nicht unbedeutende Rolle dabei zu spielen berufen war, die Thatsachen selbst aber wenig bekannt und oft entstellt worden sind. Eine treue Darstellung dieser Thatsachen wird zeigen, daß Ochs durch sein persönliches Benehmen keinen Tadel verwirkt, daß er vielmehr in den schwierigen Lagen, welche die Umstände herbeiführten, stets rechtlich und pflichtmäßig gehandelt hat.

Als in der letzten Hälfte des J. 1806 das Kriegsgewitter zwischen Frankreich und Preußen loszubrechen drohte, unterhandelte der Kurfürst von Hessen mit beiden Mächten über einen Neutralitätsvertrag. Der Kurfürst wollte eine bewaffnete Neutralität behaupten, welche Preußen auch endlich zugestand. Frankreich dagegen bestand auf einer unbewaffneten Neutralität. Während dieser fast gleichzeitigen Verhandlungen in Mainz und Naumburg, rüstete man sich ins Geheim zum Kriege, um auf alle Fälle gefaßt zu seyn. Ochs Meinung, daß Hessen in dieser Krisis wegen seiner geographischen Lage durchaus nicht neutral bleiben könne, kam gar nicht in Betracht, da der Kurfürst stets und unter allen Verhältnissen sein eigner Rathgeber war.

Am 5. Oktober 1806 nahm ein starkes Corps Preußen seinen Marsch durch das kurhessische Gebiet. Als dasselbe durch die Residenz zog, ritt der Kurprinz als preußischer General Blüchern zu Seite; die Preußen äußerten laut, daß sie auf Hessens Mitwirkung rechneten. Gegen diesen Durchmarsch legte, als ein Verletzung der Neutralität, der französische Gesandte zu Cassel Protestation ein; den Preußen wurde die Fortsetzung ihres Marsches nicht gestattet; sie mußten vielmehr auf demselben Wege, auf dem sie gekommen waren, zurückkehren. Der Kurfürst, welches preußischer Feldmarschall war, langte inzwischen aus dem Hauptquartier des Königs von Preußen zu Naumburg, wo er mit diesem eine Zusammenkunft gehabt hatte, in seiner Residenz wieder an. Seine Absichten und Beschlüsse waren für jeden ein Geheimniß. Alles war in der gespanntesten Erwartung, als die Nachricht von der unglücklichen Schlacht bei Jena anlangte. Unmöglich konnte Napoleon seinen Sieg mit Sicherheit verfolgen, so lange in seinem Rücken eine streitbare Macht wie Hessen sich befand, deren Gesinnungen ihm zweideutig schienen. Diese Ueberzeugung erfüllte Ochs mit den lebhaftesten Besorgnissen. Die Erscheinung des Marschalls Mortier in der Gegend von Frankfurt und sein dortiges Benehmen vermehrte seinen Argwohn, der durch vertraute Mittheilungen aus jenen Gegenden einen hohen Grad von Gewißheit erlange. Der Kurfürst allein verwarf die berichte, die ihm desfalls erstattet wurden. Weil er vor kurzem die Ordre ertheilt, die Truppen zu demobilisiren und in die Heimath zu beurlauben, glaubte er den Bedingungen einer unbewaffneten Neutralität, wie sie Frankreich verlangt hatte, ein volles Genüge gethan und durchaus nichts zu fürchten zu haben.

Inzwischen rückte Mortier von Hanau nach Fulda. Der Kurfürst, der sich in dem Glauben gefällt, die Bestimmung dieses Corps sey, über Vacha und Eisenach zur großen Armee nach Berlin zu ziehen, gibt Ochs den Befehl, schleunig nach Vacha abzureisen, dort bei seiner Ankunft gegen den Durchmarsch zwar zu protestiren, solchen jedoch geschehen zu lassen und nur Einquartierung und Requisitionen vom Lande abzuwenden. Zugleich gab er ihm zu besserer Vollziehung dieses Auftrags die eigenhändig abgeschriebene Neutralität mit, wie sie zu Mainz vollzogen und ausgewechselt worden. In diesem Tractat gestand allerdings Frankreich dem Kurfürsten die Neutralität unter der Bedingung zu, daß er sofort seine Truppen auf den Friedensfuß setzen solle; dadurch aber wurde die Besorgniß nicht gehoben, ob Napoleon nicht die Vorgänge in Cassel zum Vorwande nehmen würde, die Neutralität nicht mehr anzuerkennen.

Mortier hatte nur zum Schein in Vacha Quartier bestellt. Ochs, der ihn bis zum Abend vergebens erwartet hatte, sandte ihm einen Officier entgegen, der in der Nacht mit der Meldung nach Vacha zurückkam, der Marschall habe bei Heinfeld sich von der Heerstraße ab und links gegen Hersfeld gewandt. Auf der Stelle einte Ochs mit Courierpferden nach Hersfeld, wo er Mortier bereits mit seinem ganzen Corps einquartiert fand. Es wurde die strengste Mannszucht gehalten und das hessische Militär hielt fortdauernd die Thore besetzt.

Ochs entledigte sich seines Auftrags, worauf ihm Mortier antwortete: er kenne den Neutralitätsvertrag und werde vom Lande nicht das Geringste verlangen; sein Marsch geschehe auf ausdrücklichen Befehl des Kaisers. Jede weitere Erklärung wurde als unthunlich wegen der Nähe der feindlichen Gränzen und der Festung Hameln abgelehnt. Er beorderte daher einen Officier, dem er die erforderliche Klugheit und Gewandtheit zutrauen konnte, den Hauptmann v. Heringen, die Schritte des französischen Feldherrn unbemerkt zu beobachten, und reiste selbst noch in derselben Nacht mit möglichster Schnelligkeit nach Cassel ab.

Auch jetzt weigerte sich der standhafte Kurfürst, gestützt auf die Neutralität, Besorgnissen irgend einer Art Raum zu geben; alle Vorstellungen und Bemerkungen, die Ochs sich erlaubte, wurden zurückgewiesen.

Während dessen erhielt Ochs von dem Hauptmann v. Heringen den Bericht, daß Mortier plötzlich von Hersfeld bis Melsungen, zwei deutsche Meilen von der Residenz, vorgerückt sey. Dies bewog den Kurfürsten, dem Marschall durch einen seiner Flügeladjutanten ein eigenhändiges Schreiben zu überschicken, das dieser, jedoch nur mündlich, mit Freundschaftsversicherungen beantwortete. Der Kurfürst war der Meinung, der Marschall werde mit seinem Corps von Melsungen links bei Cassel vorbei nach Hannöverisch-Minden marschiren. Ochs wurde ihm daher am letzten Oktober entgegengesandt, um ihn sowohl zu becomplimentiren, als auch zur Tafel beim Kurfürsten nach Cassel einzuladen. Mortier lehnte die Einladung ab und äußerte, er habe die Absicht, bei Cassel mit seinen Truppen zu bivouakiren, und wolle das Bivouak nicht verlassen, um durch seine Gegenwart jeder möglichen Unordnung vorzubeugen. Der von dem Marschall zum Bivouak gewählte Ort waren die mit Waldungen und Gehölzen bedeckten Anhöhen von Cassel. Ochs, der die Franzosen dahin begleitete, konnte nicht verkennen, daß man eine gegen einen Angriff gesicherte militärische Stellung gewählt habe, was ihm bei seinem Argwohn doppelt auffallen mußte. Er unterließ nicht, dem Kurfürsten von allem getreuen Bericht zu erstatten und Vorsicht zu empfehlen, ohne Gehör zu finden. Als aber Abends gegen sieben Uhr von Warburg die Meldung einging, daß eine französisch-holländische Armee sich von Paderborn her nähere und bereits das hessische Gebiet betreten habe, ward der Kurfürst unwillig und ließ durch den Minister von Waitz deßhalb bei der französischen Gesandtschaft anfragen. Der Legationssecretär St. Genest, der in des Gesandten Bignon Abwesenheit die Geschäfte führte, schützte Unkenntniß von diesen rein-militärischen Maaßregeln vor. Man beruhigte sich mit dieser Antwort, und der Kurfürst legte sich, nachdem er Ochs, der bis dahin immer um ihn gewesen war, beurlaubt hatte, wie gewöhnlich um 9 Uhr schlafen. Man ahnete in Cassel nicht, wie verhängnißvoll die Nacht zum 1. Nov. für Hessen seyn sollte.

Genau um Mitternacht wurde dem Staatsminister von Waitz von Seiten der französischen Gesandtschaft die bekannte Note übergeben, zu Folge welcher auf Napoleons Befehl das Land entwaffnet und militärisch besetzt werden sollte. Im Weigerungsfall würden mit Tagesanbruch die Feindseligkeiten anfangen. Der Kurfürst ließ sogleich den Geheimenrath zusammenberufen und die Generalität versammeln. Eine Deputation wurde an den Marschall Mortier gesandt, kehrte aber unverrichteter Sache zurück. Der Marschall hatte sich auf seine gemeßne Ordre und auf seine Pflicht als Militär berufen, diese genau zu vollziehen.

Von allen Vorgängen dieser Nacht hatte Ochs keine Kenntniß, geschweige denn an den Beschlüssen und Verfügungen derselben den mindesten Antheil. Seine Unruhe und sein Diensteifer trieben ihn gegen fünf Uhr Morgens ungerufen und unaufgefordert in das kurfürstliche Schloß. Er wird nur unvollkommen von der Lage der Sachen unterrichtet, kann aber den Kurfürsten selbst nicht einmal zu sprechen bekommen.

Der Kurfürst hatte beschlossen, der Uebermacht zu weichen. Schriftliche Verhaltungsbefehle zu ertheilen, erlaubte die Zeit nicht. Nur mündlich wurde dem Garde-General von Webern die Entwaffnung der Garnison von Cassel aufgetragen. Der Befehl zur Uebergabe der Festung und Entwaffnung aller hessischen Regimenter wurden eilig unterzeichnet. Der Kurfürst bestieg mit dem Kurprinzen einen sechsspännigen Wagen.

Inzwischen hatte, während die Einwohner Cassels von dem Vorgefallenen nichts ahneten, der französische Vortrab sich schon auf der Ebne des nahem Forstes aufgestellt, und eine Abtheilung leichter Truppen besetzte die Brücke, die von dieser Seite der einzige Zugang zur Stadt ist, eben als der Kurfürst dort ankam, um die Heerstraße zu gewinnen. Man ließ ihn nicht mehr durch, und der Kurfürst eilte in gestrecktem Galopp durch die Stadt zurück, um durch das Cölnische Thor die Landstraße nach dem Waldeckschen zu erreichen.

Ochs hatte unterdeß von dem Ministerium, in dessen Hände der Kurfürst die Regierung des Landes niedergelegt hatte, den Befehl erhalten, dem Marschall Mortier entgegen zu reiten und die französischen Truppen in die Residenz einzuführen. Dieses Geschäft kam ihm als Generalquartiermeister-Lieutenant zu; er durfte sich ihm, da ein ministerieller Befehl ihn dazu anwies, nicht entziehen. Als er in diesem Geschäft am Leipziger Thor ankam, begegnete ihm der Kurfürst auf der Rückkehr zur Stadt und winkte ihm nur, da die Eil keine Unterredung verstattete, mit der Hand.

Vormittags den 1sten Nov. 1806 rückte nun die Franzosen ohne Widerstand und Hinderniß in die Stadt ein und schon Mittags langte auch die holländische Armee an. Man wußte die Truppenmassen kaum unterzubringen, für nichts war gesorgt, Verhaltungsbefehle hatte der Kurfürst nicht zurückgelassen. Unvermeidlich würde die größte Verwirrung eingetreten seyn, wenn nicht der hessische Generalstab und die Mitglieder des Kriegscollegiums zu Cassel, zu welchen auch Ochs gehörte, aus eigenem Antrieb zusammengetreten wären, um eine Verpflegungscommission zu bilden und für die Herbeischaffung des Nothwendigsten zu sorgen. Es konnte dies nur zum Wohl der Stadt und des Landes gereichen. und daß Ochs hiebei einen besondern Eifer bewies, kann ihm gewiß eher zum Lobe als zum Vorwurf dienen.

Es währte nicht lange, so erschien das kaiserliche Decret, dem zu Folge "das Haus Hessen aufgehört habe zu regieren." Der Divisions-General La Grange, der zum General-Gouverneur von Hessen ernannt worden war, faßte sogleich den Plan, das hessische Militär durch freiwillige Anwerbung für den französischen Dienst zu reorganisiren. Da Ochs einen so bedeutenden Posten bei dem hessischen Generalstabe bekleidete und der Ruf seiner militärischen Einsichten die Aufmerksamkeit vorzüglich auf ihn lenken mußte, so erging an ihn vor allen andern die Aufforderung, in den Dienst des Kaisers zu treten. Man bot ihm das erste zu errichtende hessische Regiment mit dem Rang eines kaiserlich-französischen Obersten an. Er wies dieses Anerbieten zurück; nur wenige hessische Staats- und andre Officiere traten leichtsinnig genug in französische Dienste; bei weitem die Mehrzahl zog es vor, nach Luxenburg in feindliche Kriegsgefangenschaft zu wandern.

Nicht unbekannt konnten der französischen Verwaltungsbehörde von Hessen die Verhältnisse seyn, in welchen Ochs mit dem Fürsten des Landes gestanden hatte. Man fing an, ihn mit Argwohn zu betrachten, und da er als Mitglied der Verpflegungscommission in seinem Eifer für Fürsten und Vaterland sich unablässig der Habsucht der herbeiströmenden Fremdlinge widersetzte, erging von Seiten des französischen General-Gouvernements der Befehl an ihn, binnen vierundzwanzig Stunden Cassel zu verlassen, und sich, bei Vermeidung durch Gendarmen transportirt zu werden, zu den übrigen Officieren, die ohne Dienste bleiben wollten, nach Luxenburg in die Gefangenschaft zu begeben; wohl ein sicherer Beweis, daß er nie mit den Franzosen einverstanden gewesen seyn konnte. Ochs nahm den Ruf eines seinem Fürsten treu ergebnen Dieners mit sich nach Frankreich, und in der bekannten Schrift: Hessen vor dem 1. Nov. 1806, werden Ochs, Köhler und Trost die drei ausgezeichnetsten Officiere der kurhessischen Armee genannt.

Der Friede von Tilsit bestimmte endlich definitiv das künftige Schicksal Kurhessens. Der größte Theil seines Gebiets wurde mit dem Königreiche Westphalen vereinigt. ein neuer von allen Mächten des europäischen Continents anerkannter Souverän rief seine Unterthanen zum Dienste des Vaterlandes auf. Der Kurfürst selbst wies nach Verlust seiner Landeshoheit diejenigen seiner ehemaligen Beamten, welche sich um eine Versorgung an ihn wandten, an jenen zurück. Bei dem wieder eingetretenen Friedenszustande war es Militärpersonen unmöglich, fremde Dienste zu finden, und auch Ochs Bemühungen in dieser Hinsicht schlugen fehl. Es blieb daher ihm, so wie fast allen kurhessischen Stabsofficieren, keine andre Wahl, als die königl. westphälischen Dienste anzunehmen. Aber in der von den Franzosen über die Denkungsart und das Benehmen der kriegsgefangnen hessischen Officiere in Luxenburg geführten stand Ochs, als sehr verdächtig der Anhänglichkeit an dem Kurfürsten und einer fortgesetzter Verbindung mit ihm, aufgeführt. Darum mochte ihn der westphälische Kriegsminister nicht in der Linie aufstellen; man gab ihm den Posten eines Revuen-Inspectors, und sandte ihn nach Magdeburg, wo er länger als ein Jahr fast vergessen lebte.

Als aber der spanische Krieg ausbrach und ein Corps Westphalen zu den französischen Armeen jenseits der Pyrenäen stoßen sollte, fühlten die französischen Machthaber in Westphalen das Bedürfniß, einige deutsche Officiere von Auszeichnung als Brigade-Commandanten anzustellen. Die Wahl traf den General von Webern; allein dieser mißfiel dem en Chef commandirenden General Morio, welcher, als man nach Mainz gekommen war, sich an dessen Stelle einen andern geschickten Commandeur ausbat. Auf des damaligen Obersten bei der westphälischen Garde von Dörnberg Empfehlung wurde Ochs gewählt, und mit dem Range eines Obersten und Brigade-Commandanten dem westphälischen Hülfscorps nachgesandt, das bereits bis Metz gekommen war. Morio zeigte anfangs so wenig Vertrauen zu den Talenten seines neuen Unterbefehlshabers, daß er ihm das Commando über die erste Brigade nur mit Vorbehalt seines speciellen Oberbefehls gab. So durchzog Ochs mit der 6000 Mann starken westphälischen Division das südliche Frankreich, und langte endlich auf dem Kriegsschauplatz in Catalonien an.

Kaum war er hier in Thätigkeit getreten, als er auch Beweise seiner Geschicklichkeit und Kriegserfahrung gab, welche er sich besonders in Amerika erworben hatte. Denn der Krieg in Spanien mußte auf dieselbe Weise geführt werden, und wich von jenem nur in dem bei weiten höhern Grade der Erbitterung und Grausamkeit ab. Mit bestem Erfolg verfuhr Ochs allenthalben nach eignen Grundsätzen, und zog dadurch die Aufmerksamkeit seiner Obern auf sich. Nicht nur von seinem Chef, dem Divisionsgeneral Morio, sondern auch von französischen Marschälle und Generalen wurden ihm ausgezeichnete Beweise von Zutraun, und der König von Westphalen fing an, auch deutsche Militärs neben den französischen hervorzuziehn. Bei der denkwürdigen achtmonatlichen Belagerung von Girona gab Ochs so große Proben seiner Brauchbarkeit, daß er zum Lohn für seine Thaten nicht nur mit Orden geschmückt, sondern auch zum Brigade-General erhoben wurde. Aber seine abgehärtete Gesundheit unterlag doch dem Einfluß des fremden Clima's; mehrere Monate lang schwebte er an einer ansteckenden Krankheit in der größten Lebensgefahr. Nach seiner Wiederherstellung commandirte er en Chef das ganze westphälische Truppencorps in Catalonien, und ward mit den schwachen Ueberresten desselben im April 1810 nach der Heimath zurückberufen. Seine Berichte hatten nicht wenig dazu beigetragen, daß Hieronymus sich standhaft weigerte, neue Verstärkungen zu diesem verheerenden Kriegs abzusenden. Im Julius des genannten Jahres traf General Ochs in Cassel wieder ein, und mit prophetischem Geiste sagte er schon damals voraus, daß Napoleon Spanien nicht unterjochen werde. Gleich nach seiner Rückkehr wurde ihm das Commando an den Küsten zwischen der Elbe und Weser übertragen, um das von Napoleon gebotene Continentalsystem aufrecht zu erhalten. Als jene Küstenländer dem französischen Kaiserreiche einverleibt wurden, lös'ten ihn französische Generale ab; da erst wurden die Bewohner jener Gegenden inne, wie schonend der westphälische General sie behandelt hatte.

Im Herbst 1810 und im Frühjahr 1811 ordnete König Hieronymus große Uebungslager für seine Armee an, und trotz der Kabalen, welche die den König umgebenden Franzosen gegen den Deutschen ins Spiel setzten, wurde doch jedesmal Ochs dazu bestimmt, diese Lager en Chef zu commandiren, die Manövres mit den Truppen auszuführen, und überhaupt ihre Kriegsbildung zu leiten. Er stieg zugleich in der Gunst des Königs immer höher, und wurde schnell hinter einander mit den ausgezeichnetsten Gnadenbezeigungen überhäuft. Er erhielt den Rang eines Divisions-Generals, wurde zum Commandeur des Ordens der westphälischen Krone ernannt, in den Freiherrnstand erhoben; es wurde ihm der Ehren-Kammerherrnschlüssel und zuletzt sogar die Würde eines General-Capitäns der königl. westphälischen Garden, die bisher ausschließlich nur von Franzosen bekleidet worden war, zu Theil. Ueberdies beschenkte ihn die dankbare Freigebigkeit des Königs mit außerordentlichen Gratificationen. So hoch in der Fürstengunst, so voll Ansehn und Einfluß, und mit so großem äußern Ansehn angethan, blieb jedoch Ochs stets sich gleich, in der Pracht des Hoflebens und umgeben von Franzosen verleugnete er nie den deutschen Mann. Frei von Intrigue, wie von Glanzsucht, blieb er in seiner Lebensweise einfach, wie in den Feldlägern, und möglichst entfernt von dem Geräusch der großen Welt. Wo er konnte, im Stillen und öffentlich, wirkte er Gutes. Manches Uebel wurde in jener sturmbewegten Zeit durch ihn abgewandt. Wir führen statt vieler nur Ein Beispiel an, und gerade dieses darum, weil auch hier sein Benehmen von Uebelwollenden oder Unkundigen getadelt worden ist, während der Unpartheiische es einer Bürgerkrone werth finden muß.

Im Januar 1812 entstanden in der Stadt Braunschweig zwischen dem dort stationirten französischen und westphälischen Militär häufige Streitigkeiten, die selbst in blutige Händel ausarteten. Eines Morgens kam es so weit, daß man zu den Waffen rief. Der Generalmarsch wurde geschlagen, und die französische Reiterei blies zum Aufsitzen. Junge Leute aus der Bürgerschaft waren auf die Seite der westphälischen Truppen getreten, hatten sie zum Kampf aufgereizt, und die zu Pferde herbeieilenden Franzosen mit Schneebällen begrüßt. Diesen Vorfall erklärten die Franzosen für einen förmlichen Aufstand, und von Davoust, der in Norddeutschland commandirte, und ohnehin mit den Braunschweigern unzufrieden war, waren die härtesten Maaßregeln zu fürchten. Generallieutenant von Ochs erhielt Befehl, sogleich nach Braunschweig zu eilen, den Aufruhr zu stillen, und die schuldigen Bürger und Soldaten durch eine Militär-Commission nach den Kriegsgesetzen richten zu lassen. Er fand vierzig westphälische Soldaten und ein Dutzend Bürger verhaftet, und durch den westphälischen General von Klösterlein die Untersuchung vor einem Kriegsgericht schon eingeleitet. Ochs brachte den ausdrücklichen Befehl, sogleich eine eigne Militär-Commission anzuordnen. Die Bürger wurden jedoch aus Mangel an hinreichenden Beweisen wieder freigelassen, und auch von den Soldaten nur die gravirtesten in Verhaft behalten. Unterdessen rückten von allen Seiten französischen Truppen gegen Braunschweig an, der General St. Germain kam eiligst von Hildesheim, und man erfuhr, daß vier französische Infanterie-Bataillons von Magdeburg mit geheimen Befehlen aufgebrochen seyen und sich der Stadt näherten. Von dem General St. Germain erfuhr Ochs, daß Marschall Davoust die Stadt Braunschweig in Aufruhrstand erklärt habe, daß die anrückenden französischen Truppen die Bestimmung hätten, sich in der Stadt einzuquartieren und dort auf Discretion zu leben, und daß unverzüglich eine französische Militär-Commission errichtet werden solle, zu deren Präsidenten der eigens dazu von Hamburg berufene General Dänzel bestimmt sey, um Bürger und Soldaten auf das strengste zu richten.

General Ochs beschloß sogleich, diesen blutigen, für Braunschweig so höchst verderblichen, Befehlen entgegenzuwirken. Bei dem General St. Germain brachte er es mit Beziehung des Freiherrn von Münchhausen durch Vorstellungen dahin, daß die in die Stadt rückenden Truppen auf die gewöhnliche Weise einquartiert und verpflegt wurden. Der Errichtung einer Militär-Commission widersetze er sich förmlich, und es glückte ihm, sie, trotz der Drohungen des Generals Dänzel, wirklich zu verhindern. Den König von Westphalen unterrichtete er sofort von allem, stellte auf eine geschickte Art das Verfahren Davousts als einen Eingriff in seine Majestätsrechte dar, und schlug zweckmäßige Maaßregeln vor.

Was er erwartet hatte, geschah. Der König von Westphalen schickte sofort einen Courier an Napoleon, einen andern an Davoust, und seinen Flügeladjutanten, Oberst von Lepel, an den General von Ochs. Des Letztern Verfahren wurde vollkommen gebilligt, und ihm nach seinem Wunsche der Auftrag ertheilt, die Einmischung der französischen Generale in diese Sache nicht zu gestatten, dagegen aber die Arbeiten der von ihm niedergesetzten westphälischen Kriegscommission möglichst zu beschleunigen, und ihren Ausspruch ohne Appellation in Vollziehung zu bringen. Die Commission verurtheilte die zwei schuldigsten Soldaten, deren Betragen nach keinem Kriegsgesetze gerechtfertigt werden konnte, zum Tode, welches Urtheil auch sogleich vollzogen wurde; alle übrigen übergab sie, als nicht schuldig, dem Kriegsgericht des Regiments zur weitern correctionellen Strafe. In der That, nur ein hoher Grad von Unkunde oder bösem Willen kann das Verdienst des Generals Ochs bei diesem Vorfalle, der leicht die schrecklichsten Folgen hätte haben können, verkennen, oder ihm ein Verbrechen daraus machen, daß jene zwei Schuldigsten nicht auch gerettet wurden.

General Ochs hatte Braunschweig noch nicht verlassen, als ihm vom Könige der Befehl wurde, nach Cassel zurückzukehren, und das Commando einer westphälischen Infanterie-Division zu übernehmen, die gegen Rußland bestimmt war. Er machte diesen verhängnißvollen Krieg von Anfang bis zu Ende mit; aber die glänzendsten Waffenthaten gehen mit dem Erfolge verloren. Der Orden der Ehrenlegion war das einzige, was er davon trug.

In der blutigen Schlacht von Mosaisk stand Generallieutenant von Ochs mit seinen Westphalen unter dem unmittelbaren Befehl des Marschalls Ney, und bekam die Bestimmung, die Russen aus dem auf ihrem linken Flügel liegenden Walde zu vertreiben, den man als den Schlüssel der ganzen Stellung betrachten konnte. Nach einer unendlichen Anstrengung und einem großen Verlust gelang endlich dies Unternehmen gegen das Ende dieses blutigen Tags. Alle westphälische Generale waren entweder todt oder verwundet, nur Ochs war unversehrt geblieben.

Das westphälische Hülfscorps hatte so sehr gelitten, daß es außer Stand war, den kurzen Marsch bis Moskau noch zu machen. Es blieb daher in Mosaisk auf Postirung stehn, und General Ochs, der allenthalben, wo er mit seiner Division hinkam, das Kriegsungemach und die Kriegslasten zu erleichtern suchte, erhielt diese Stadt wenigstens so lange, als er dort commandirte. Sobald er sie beim Rückzuge mit seinen Truppen verlassen hatte (den 28. Octbr.), ging sie, gleich alle übrigen Ortschaften der Umgegend, in Flammen auf.

Die Ueberreste der Westphalen bildeten auf dem Rückzuge aus Rußland den Vortrab der großen Armee, geriethen nach und nach in immer größere Zerrüttung, und lös'ten sich endlich nach dem Uebergang über die Berezina gänzlich auf. General Ochs langte zu Ende des Jahres 1812 in Thorn an, das dem völlig zerstreuten westphälischen Corps zum Sammelplatz angewiesen war. Aber hier wurde er, bei einer durch endlose Mühseligkeiten und Entbehrungen geschwächten Gesundheit, vom Lazarethfieber befallen. Man brachte ihn krank nach Crossen, um sogleich wieder in thätigen Dienst treten zu können. Er wurde daher nach Cassel zurückberufen und von Hieronymus zum Militärgouverneur von Halberstadt ernannt, um auf diesem vermeintlichen Ruheposten seine Gesundheit wieder herzustellen. Bei den schnellen Fortschritten der russischen und preußischen Waffen befand er sich aber hier gleichsam auf einem Vorposten, und doch hatte er über keine weitern Truppen zu disponiren, als achtzig Invaliden, die nicht einmal mit Munition versehen waren. In dieser Lage erschienen plötzlich die Kosaken unter Czernischeff vor Halberstadt und umzingelten die Stadt. Diese zu vertheidigen, war unmöglich, und konnte für die Einwohner höchst nachtheilig werden. Der General ließ daher nur die Thore schließen, und ritt selbst vor die Stadt, um die Kosaken zu recognosciren, und die vor der Stadt campirende französische Artillerie, seiner Pflicht gemäß, von der nahen Gefahr zu unterrichten. Er fand sie bereits unter dem Gewehr. Das darauf erfolgende Gefecht endigte damit, daß ein Theil der Pulverkarren in die Luft flog, und die ganze Convoi gefangen wurde. Die Stadt hatte sich gleich anfangs ohne Widerstand ergeben. Dies ist der wahre Hergang einer Begebenheit, die man durch Entstellung dem General Ochs zum Vorwurf hat machen wollen, bei der er sich aber nicht nur untadelhaft benahm, sondern sich auch das Verdienst erwarb, durch seine Weigerung, die französische Artillerie in der Stadt aufzunehmen, diese vielleicht von der Zerstörung gerettet zu haben.

Dem General selbst blieb jetzt nichts übrig, als sich an der Spitze einige reitenden Gendarmen durchzuschlagen. Das Unternehmen mißlang jedoch, und er gerieth verwundet in russische Gefangenschaft. So wurde er gerade in jener Epoche, worin die Deutschen sich rühmlich zu neuer Selbstständigkeit ermannten, in Unthätigkeit versetzt. Man führte ihn in seinem eignen Wagen nach dem Innern von Rußland, wo man ihm Dorpat zum einstweiligen Aufenthalt anwies.

Als ganz Deutschland sich gegen Frankreichs Kaiser erklärt, und die Alliirten als Sieger und Eroberer dem Kurfürsten von Hessen den Wiederbesitz seiner Staaten eingeräumt hatten: da erst hielt sich Ochs der Pflichten gegen den Souverän, dem er den Eid der Treue geleistet, für entbunden, und er säumte nicht dem Vaterlande seine Dienste anzubieten. Er schrieb an den Kurfürsten von Hessen, und bat um Wiederanstellung bei der neu zu errichtenden kurhessischen Armee. Er blieb ohne Antwort, und erst als die allgemeine Loslassung aller kriegsgefangnen Deutschen erfolgte, war es ihm vergönnt, nach seinem Vaterlande zurückzukehren, zu spät, um noch an dem Kriege gegen Frankreich Theil zu nehmen zu können. Alle nachherigen Versuche in den Jahren 1814 und 1815, wieder in Thätigkeit zu treten, waren fruchtlos. Aus bekannten Beweggründen vernachlässigt und zurückgesetzt, wird er seine ihm selbst so unwillkommene Muße anwenden können, uns interessante Beiträge zur Kriegskunst und Kriegsgeschichte zu liefern.

Dieser Umriß, den wir nach unsrer Zusage treu und einfach entworfen haben, umfaßt das Leben eines Mannes, der bei hervorstechenden Feldherrntalenten, rastloser Thätigkeit und untadelhafter Gesinnung, das eigne Mißgeschick hatte, seine größten Anstrengungen und Aufopferungen vergebens zu machen, und durch ein thatenvolles Leben, das ihm Ansprüche auf die dankbare Anerkennung seines Vaterlandes giebt, nichts gewonnen zu haben, als sich verkannt und angeklagt, mindestens vernachlässigt zu seyn.

Die härteste, aber auch ungerechteste Beschuldigung, die ihm gemacht wird, ist, daß ihm Deutschland fehle. Wer ihn näher kennt, wird dies nie einräumen. Gewohnt nach festen Grundsätzen zu handeln, ging ihm strenge Erfüllung seiner Pflichten stets über alles, und nimmer hat er mit Eiden ein loses Spiel getrieben. Dem er Gehorsam und Treue geschworen, hat er gehorsam und treu gedient, dem Kurfürsten von Hessen, wie dem Könige von Westphalen. In einem Dictionnaire des Girouettes für Deutschland wird der Name Ochs keine Stelle finden; aber unter den deutschen Kriegern, die es treu mit der Tugend, der Pflicht und dem Vaterlande meinten, wird er mit Auszeichnung genannt zu werden verdienen.

* * *

Generallieutenant von Ochs lebt jetzt zu Cassel in ächtphilosophischer Zurückgezogenheit, beschränkt auf ein mäßiges Einkommen, das ihm kluge Sparsamkeit erübrigt hat. Nie, wie bei manchem andern Heerführer der Fall gewesen, haben Erpressungen gedient, sein Vermögen zu vergrößern. Er war glücklich vermählt; aber die theure Gattin wurde ihm in der Blüthe der Jahre durch den Tod entrissen, und zwar zu einer Zeit, wo ihn das Glück am meisten begünstigte. Sie starb an dem Tage, wo der junge Napoleon das Licht der Welt erblickte. Kinder hat er vier am Leben. Zwei hoffnungsvolle Söhne dienen im kurhessischen Militär. Die älteste Tochter, auch als liebenswürdige Dichterin bekannt, ist mit dem königl. preußischen Regierungsrathe, Baron von Hohenhausen, verheirathet; die jüngste befindet sich bei dem Vater.


Quellen und Literatur.[]

  • Zeitgenossen. Biographieen und Charakteristiken. Leipzig und Altenburg: F. A. Brockhaus. 1818.
  • Biographie des Generals von Ochs. Ein politisch-militairischer Beitrag zur Geschichte des nordamerikanischen und des französischen Revolutionskrieges, so wie der Feldzüge in Spanien, Rußland und Deutschland. (Aus den Originalpapieren des Generals und sonstigen authentischen Mittheilungen.) Herausgegeben von Leopold, Freiherrn von Hohenhausen. Cassel 1827. Im Verlage der Luckhardt'schen Hofbuchhandlung und gedruckt bei J. H. Hampe.
Advertisement